Digitaler Zwilling und Telemedizin: Ein Gespräch mit Professor Sergio Pillon

Willkommen zurück bei My Digital Twin! Heute habe ich das Vergnügen, mit Professor Sergio Pillon zu sprechen, einem echten Pionier der Telemedizin. Sein Lebenslauf? Sagen wir einfach, es sind biblische 18 dicht gepackte Seiten. Er hat alles gemacht: ein renommierter Angiologe, Forscher, Experte für digitale Gesundheitsversorgung und ehemaliger Regierungsberater für Telemedizin bis 2018. Aber lassen wir ihn sich selbst vorstellen und uns auf eine Reise durch die Entwicklung der Telemedizin mitnehmen.

Vom Südpol zum Mars: Die Entwicklung der Telemedizin
Pillon:"Ich bin Arzt, Spezialist für medizinische Angiologie. Mein Weg begann in der Forschung mit zwei Expeditionen zum Südpol, bei denen ich die Anpassungen der Gefäße an extreme Bedingungen untersuchte. 1987 habe ich meine erste Arbeit über Telemedizin veröffentlicht und sie den Nobelpreisträgern Renato Dulbecco und Rita Levi-Montalcini vorgestellt.
Und wenn Sie glauben, dass der Südpol extrem ist, dann warten Sie, bis Sie das hier hören:
"Ich habe an einem NASA-Seminar mit europäischen, russischen und japanischen Raumfahrtbehörden teilgenommen. Das WiFi-Passwort lautete 'Mars oder Tod'. Das sollte Ihnen einen Eindruck von der Mentalität in diesen Kreisen vermitteln - hohe Einsätze, hoher Ehrgeiz. Der Schwerpunkt lag auf der Gesundheitsversorgung im Weltraum. Stellen Sie sich die Behandlung eines Astronauten auf dem Mars vor, wenn die Kommunikation 40 Minuten verzögert ist. Hier wird die Telemedizin unverzichtbar.
Von Weltraummissionen bis zu Krankenhausstationen hat die Telemedizin ihren Wert bewiesen. Die Herausforderung besteht nun darin, dieses Innovationsniveau in die alltägliche Gesundheitsversorgung zu bringen.

Schnellere Versorgung am Südpol als in Rom
Pillon:"Lassen Sie mich eine Geschichte erzählen. Ich war im Krankenhaus San Camillo in Rom, als ein Anruf vom Südpol kam - ein Techniker war von einem Strommast gefallen. Sie schickten Röntgenbilder, ich unterbrach meine Konsultation mit einem Patienten, koordinierte mich mit einem Radiologen, und innerhalb von 20 Minuten hatten wir die Ferndiagnose abgeschlossen."
Der Patient, den ich hatte warten lassen, schlug mich dann mit einem klassischen römischen Einzeiler:
"Herr Doktor, ich verstehe, dass es dringend ist, aber mir ist etwas klar geworden - wäre ich am Südpol gewesen, hätten Sie mich in 20 Minuten gesehen. Hier in Rom habe ich fünf Stunden gewartet."
Das ist das Paradoxon der modernen Medizin: Wir haben die Technologie für eine sofortige Behandlung, aber wir bleiben in einem System endloser Wartezimmer stecken.

Der digitale Zwilling: Vorbeugen statt reparieren
Damit kommen wir zum Digitalen Zwilling, dem Kernstück unserer Arbeit.
D'Arpa: "Wir sammeln Daten von 'gesunden' Patienten - also solchen, die gesund erscheinen - und verwenden Vorhersagemodelle, um potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen. Einer der wichtigsten Indikatoren? Der Schlaf. Wenn sich die Schlafgewohnheiten plötzlich ändern, ist das oft das erste Anzeichen für ein aufkommendes Gesundheitsproblem."
Pillon:"Ganz genau. Als Angiologen wissen wir, dass die Nacht für das Herz entscheidend ist. Blutdruckschwankungen, Herzrhythmusstörungen, Schlafapnoe - das sind alles Alarmzeichen. Und doch gehen die meisten Menschen erst dann zum Arzt, wenn bereits etwas schief gelaufen ist."
An dieser Stelle kommen tragbare Geräte ins Spiel. Aber das Sammeln von Daten ist nicht genug - wir brauchen Systeme, die sie richtig interpretieren können.
D'Arpa: "Während der COVID-19-Pandemie ergab eine Stanford-Studie, dass Apple Watches eine Infektion drei Tage vor dem Auftreten von Symptomen vorhersagen konnten. Warum? Weil der Körper reagiert, bevor wir es merken - Veränderungen der Herzfrequenz, der Atmung, der Temperatur. Wenn wir diese Muster verfolgen, können wir Krankheiten vorhersagen, bevor sie auftreten."

KI: Die einzige Möglichkeit, die Datenflut zu bewältigen
Pillon:"Und das ist das eigentliche Problem: Wer analysiert die Daten? Wenn mir ein Patient täglich drei EKGs im PDF-Format schickt und erwartet, dass ich sie alle prüfe, ist das einfach unmöglich. Wir brauchen eine KI, die nur die relevanten Alarme herausfiltert und hervorhebt."
Ganz genau. Der digitale Zwilling ist dafür ausgelegt, Daten zu sammeln, Trends zu analysieren und Ärzte nur dann zu alarmieren, wenn ein Eingreifen erforderlich ist.

Wer besucht einen Angiologen vor einem Herzinfarkt? Keiner. Und das ist ein Problem.
Hier stellt sich die große Frage: Wie können wir die Patienten erkennen, bevor es zu spät ist?
D'Arpa: "Die Realität ist, dass niemand einen Angiologen aufsucht, wenn er sich gut fühlt. Der digitale Zwilling kann helfen, aber wir müssen auch überdenken, wer die Menschen zur Vorsorge anleiten kann."
Hier kommt eine unkonventionelle, aber brillante Idee ins Spiel: Schönheitstherapeuten und Personal Trainer.
D'Arpa: "Menschen, denen ihr Äußeres wichtig ist, investieren oft auch mehr in ihre Gesundheit. Schönheitsspezialisten und Fitnesstrainer sehen ihre Kunden regelmäßig und könnten die ersten sein, die frühe Warnzeichen bemerken. Sie könnten zu Botschaftern des Digitalen Zwillings werden und den Menschen helfen, potenzielle Gesundheitsrisiken zu erkennen, bevor sie ernst werden."
Pillon:"Genau richtig. Es ist wie mit der Telemetrie in der Formel 1 - der tödliche Unfall von Ayrton Senna geschah, weil seine Lenksäule versagte. Hätten sie digitale Telemetrie gehabt, hätten sie das Problem vor dem Unfall erkennen können. Der digitale Zwilling muss dasselbe für die menschliche Gesundheit tun - Probleme erkennen, bevor sie zu einer Krise führen."

Schlussfolgerung: Die Zukunft des Gesundheitswesens ist da, aber wir müssen unsere Denkweise ändern
Das Gesundheitswesen ist heute immer noch reaktiv - wir greifen erst ein, wenn etwas schief gelaufen ist. Mit dem digitalen Zwilling können wir sie vorausschauend gestalten. Aber dazu müssen wir das tun:
✅ Daten intelligent nutzen, ohne die Ärzte zu überfordern.✅ Schulung neuer Fachkräfte, damit sie Gesundheitsrisiken frühzeitig erkennen können.✅ Überbrückung der Kluft zwischen Medizin und Wellness durch Einbeziehung von Fitness- und Schönheitsexperten in die Gesundheitsüberwachung.
Die Technologie ist bereit. Jetzt brauchen wir nur noch den entsprechenden Bewusstseinswandel.
Ein großes Dankeschön an Professor Sergio Pillon für dieses aufschlussreiche Gespräch. Und wie immer gilt: Bleiben Sie dran an My Digital Twin - denn die Zukunft des Gesundheitswesens ist schon da.

Sergio d'Arpa

Zertifizierung https://kliniksanktmoritz.ch/md/dr-sergio-pillon/

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Sergio d'Arpa

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